Flussfahrt auf dem Tsiribinha
Auf dem Einbaum durch den Westen Madagaskars. Drei Tage lang fahren wir über den Tsiribinha und wissen spätestens jetzt was es heißt, nicht jederzeit genügend Trinkwasser zur Verfügung zu haben.
Der Duft von Curry, Ingwer und Grillkohle weht mir in die Nase, während wir gemächlich den Tsiribinha entlangpaddeln. Es ist kurz nach 11 Uhr. Fünf Stunden ist es schon her, seit wir an diesem Morgen erst mit dem Jeep und dann mit dem Boot in Miandrivazo, eine Tagesfahrt von Antananarivo entfernt, aufgebrochen sind, und die Sonne brennt schon jetzt mit voller Kraft auf uns herab. Während wir unter unseren Regenschirmen Schutz suchen, bereitet Manansara am hinteren Ende des Einbaums das Mittagessen zu. Gemüse schneiden, Kohle anheizen, Reis kochen. Und das alles auf einem halben Quadratmeter. Zeit für eine Mittagspause an Land bleibt nicht, denn die 170 Kilometer lange Strecke von Miandrivazo bis Belo sur Tsiribinha ist mit etwas mehr als zwei Tagen knapp bemessen.
„Mazotoa!“, guten Appetit, ruft Jonnyh, der uns als Guide auf der Reise begleitet, und reicht mir von hinten den Teller. Während ich wahrscheinlich schon in meiner Küche zu Hause Probleme hätte, so ein simples Essen so köstlich zuzubereiten, ist das für den Mitte Zwanzigjährigen ganz normal. Schon als Kind hat er von seinem Vater alles über das Leben am und auf dem Fluss gelernt. Dass er heute ab und zu auch mit Touristen den Tsiribinha entlangfahren darf, freut ihn, denn bei den armen Verhältnissen in Madagaskars Westen ist jede Einnahmequelle willkommen. Auch wenn die 170 Euro, die er pro Person – und mehr als zwei passen ohnehin nicht in den Einbaum – bekommt, alles andere als leicht verdient sind. Sein jüngerer Bruder Richard ist ebenfalls an Bord. Das Kochen muss er erst lernen, aber während Mananzara sich um das Mittagessen kümmert, übernimmt er das Ruder und paddelt bei knapp 40 Grad, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, während wir schon im Sitzen ins Schwitzen kommen. „Von meinen Einnahmen muss ich Essen kaufen, das Boot mieten, Zelte und die restliche Campingausrüstung ausleihen. Viel bleibt für uns am Ende nicht übrig, aber zumindest ist es ein Einkommen“, erzählt er mit einem Lachen in bestem Französisch. Zum Nachtisch gibt es frische Mangos. Als ich ihm sage, wie viel eine der köstlichen Südfrüchte in Österreich kostet, während sie hier entlang des Flusses überall wild wachsen und einfach ins Wasser fallen, planen er und Jonnyh in Gedanken schon ihr nächstes Business. „In Zukunft exportieren wir einfach Mangos nach Österreich. Das ist weniger anstrengend“, scherzen die beiden.
Abkühlung am Wasserfall
Es ist inzwischen 14 Uhr, die Hitze wird beinahe unerträglich, und das von der Erde rotbraun gefärbte Wasser lädt, selbst wenn man von den Krokodilen absieht, die hier teilweise noch leben, nicht wirklich zum Baden ein. „Eine Stunde noch, dann kommen wir zu einem Wasserfall, an dem man wunderbar schwimmen kann“, lässt Jonnyh plötzlich die Überraschung aus dem Sack. Und tatsächlich stehen wir nur eine Stunde später an den kristallklaren Pools und bekommen unsere lang ersehnte Abkühlung. Ein paar halbzahme Lemuren beobachten uns und lassen sich bereitwillig fotografieren. Auf der großen Sandbank gegenüber bauen wir schließlich auch unser Nachtlager auf, denn der Wind zieht an und die Weiterfahrt wird aufgrund der Strömung schwierig. Während Mananzara wieder kocht und uns mit seinem köstlichen „Rhum arrangé“ – Rum mit eingelegten Bananen und Ingwer – versorgt, kommt Urlaubsstimmung auf. Während die Sonne langsam am Horizont untergeht, freuen wir uns auf den Sternenhimmel, den wir gleich erleben werden. Zumindest theoretisch. Wären da nicht plötzlich die dicken Regentropfen, die vom Himmel fallen, und der Wind, der beinahe unser Zelt wegbläst. Statt romantischem Abend am Lagerfeuer verkriechen wir uns also im Zelt und lauschen den Regentropfen, die von der Decke auf uns herabfallen, denn auch die Ausrüstung ist wohl nicht so richtig auf Regen abgestimmt. Es ist eine unbequeme Nacht, etwas anders als wir uns das vorgestellt haben, aber der Sonnenaufgang am nächsten Morgen und das leckere Frühstück entschädigen für vieles. Und so verbringen wir einen weiteren Tag auf dem Fluss, lassen die wunderschöne Landschaft auf uns wirken und lernen von Jonnyh die wichtigsten Wörter auf Malagasy, um uns auf die nächsten Wochen unserer Reise, die gerade erst begonnen hat, vorzubereiten. Eines aber wissen wir jetzt schon: Die Menschen auf Madagaskar sind trotz der Armut unglaublich gastfreundlich und herzlich. Einmal mehr dürfen wir das bei einem Zwischenstopp in einem der kleinen Dörfer erleben. Während uns die Erwachsenen neugierig begrüßen, freuen sich die Kinder über Fotos, die sie dann anschließend direkt auf der Kamera bewundern können. Trotzdem bereuen wir, auf der Fahrt nichts für die Kinder mitgebracht zu haben, denn besonders Schulhefte und Stifte (am besten natürlich vor Ort gekauft) sind hier auf dem Land Mangelware.
Ankunft in Belo sur Tsiribinha
Und so geht auch der zweite Tag zu Ende, wir bauen unser Zelt diesmal ohne Regen auf einer Sandbank auf und laden die Familie, die hier lebt und uns freundlich begrüßt, zum Essen ein. Nach zwei Stunden Fahrt am nächsten Tag ist es dann auch schon Zeit, Abschied zu nehmen. Während wir in Belo sur Tsiribinha schon von unserem Fahrer Tina mit dem Allrad erwartet werden, müssen Manansara und Richard wieder flussaufwärts nach Hause paddeln. Den Einbaum auf einem Motorboot transportieren zu lassen, würde zu viel kosten, sagen sie. Für uns geht die Fahrt nach diesem ganz speziellen und entschleunigenden Erlebnis hingegen weiter nach Bekopaka, dem Tor zum Nationalpark Tsingy de Bemaraha, einem der spektakulärsten Naturwunder Madagaskars.