Auf den Spuren der Indris
Im Hochland Madagaskars leben die letzten Exemplare der größten Lemurenart.
Schnell, kommt!“, ruft Adrien und verschwindet auch schon vor uns im dichten Gebüsch, während wir ihm nicht ganz so elegant durch den Wald folgen. Es ist sechs Uhr morgens im Andasibe-Mantadia Nationalpark, gut 140 Kilometer östlich der Hauptstadt Antananarivo. Genau die richtige Zeit, um nach den selten gewordenen Indris, der größten noch existierenden Lemurenart, zu suchen. Der unverkennbare Ruf der Primaten hat uns schon vor Sonnenaufgang geweckt. Er gehört zu den eindrucksvollsten, die die Tierwelt zu bieten hat und ist kilometerweit zu hören. Jetzt allerdings ist es ruhig in den Bäumen, doch Adrien will nicht aufgeben. „Wer die Indris sehen möchte, muss schnell sein“, erklärt er in der kurzen Pause, in der er innehält um nach auffälligen Geräuschen zu lauschen und selbst den Ruf der Tiere zu imitieren.
Eine knappe Stunde lang springen wir durch das Dickicht, bevor wir sie endlich sehen. Eine ganze Familie sitzt dann aber über uns in den Baumkronen verteilt und sieht uns neugierig an. Scheinbar mühelos schwingen sich die Indris von Baum zu Baum. Ein beeindruckendes und seltenes Erlebnis, denn leider stehen die schönen Tiere, die mit ihren dunklen Gesichtern an kleine Bären erinnern, inzwischen auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Ihr Lebensraum, der Regenwald, wird auf Madagaskar für Feuerholz immer weiter abgeholzt und so schätzen Experten ihre Zahl auf 1000 bis 10.000 Exemplare. Genaue Zahlen gibt es bis heute nicht. Adrien, dem die Lemuren als einem von vielen Guides im Nationalpark ein sicheres Einkommen bringen, wartet geduldig bis wir unsere Fotos geschossen haben. Auch andere Touristen haben die Indri-Familie inzwischen entdeckt und schauen gebannt nach oben. Für uns ist es dann schon wieder Zeit, den Wald zu verlassen. Schließlich sollen die Tiere nicht zu sehr gestört werden und so genießen wir den restlichen Tag in unserer Lodge mit Blick auf den Wald, bevor die Reise am Tag darauf weitergeht.
Mit dem Minibus quer durchs Land
Als der Bus mit einer Stunde Verspätung an der Kreuzung stehenbleibt, wird schnell klar: Bei der Reservierung ist etwas schiefgelaufen, denn für die vier wartenden Personen sind nur zwei Plätze reserviert. „An der nächsten Kreuzung steigen zwei aus“ versichert uns der Busfahrer und so lassen wir uns überreden, trotzdem mitzufahren. Als er mit einem Lachen die Tür schließt ist unsere Hoffnung allerdings auch schon wieder zerstört. Die nächste Kreuzung gibt es gar nicht, sind meine letzten Gedanken, bevor der rote Minibus sich in Bewegung setzt. Unsere Mitfahrer begrüßen uns trotzdem freundlich und schenken uns ein paar mitleidige Blicke als wir uns zu viert auf zwei Plätze stapeln. Irgendwann wird von hinten ein schmaler Hocker gereicht, den wir zwischen die Sitze quetschen können und so zumindest einen halben Platz dazugewinnen. Aus dem Lautsprecher über mir wechseln sich madagassische Hits mit Céline Dions „My Heart will Go on“ und anderen Schnulzen ab. Als mir der Gedanke kommt, dass wenigstens keine Hühner mit im Bus sind, bin ich überrascht, wie tief die eigenen Ansprüche sinken können. Die zahlreichen Pauschaltouristen, die wir auf unserer Reise durch Madagaskar treffen, haben es da schon leichter. In bequemen Bussen werden sie von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gefahren, immer in Begleitung eines Guides, der alles für sie regelt. Wer Madagaskar individuell bereist, muss hingegen einige Strapazen auf sich nehmen, lernt dafür aber das Leben und die Hilfsbereitschaft der Menschen wie kein anderer kennen.
Nach 120 Kilometern ist der erste Stopp endlich erreicht. Tatsächlich werden jetzt zwei Plätze frei und die restlichen 135 Kilometer nach Tamatave sind somit ein Klacks. Von hier aus geht es für uns mit dem Schiff weiter in das ehemalige Piratennest Île Saint Marie, wo wir uns vom Abenteuer erholen und die Schönheit Madagaskars in vollen Zügen genießen können.
Idylle pur auf der ehemaligen Pirateninsel Île Saint Marie
Im Osten von Madagaskar befindet sich die kleine Insel Île Saint Marie, ein ehemaliges Piratennest, das heute als wahres Urlaubsparadies gilt. Große Hotelanlagen sucht man trotzdem vergebens. Stattdessen findet man entlang der Küste überall kleine Bungalowanlagen mit Traumstränden direkt vor der Nase. Die Insel selbst hat abseits der Strände aber auch einiges zu bieten. Es gibt einen Piratenfriedhof, natürliche Pools oder Vanilleplantagen, auf denen man lernen kann, wie das beliebte Gewürz hergestellt wird. Wer es gerne noch ruhiger und ursprünglicher mag, kann mit dem Boot in wenigen Minuten auf die Schwesterinsel Nosi Nato übersetzen, wo es nicht einmal mehr motorisierten Verkehr gibt.